Haushaltrede des Fraktionsvorsitzenden Klaus Riedel

Veröffentlicht am 19.11.2020 in Fraktion

Klaus Riedel

Stellungnahme der SPD-Kreistagsfraktion zum Haushaltsentwurf 2021

 

Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren der Verwaltung, 

Kolleginnen und Kollegen, Vertreterinnen und Vertreter der Presse, meine Damen und Herren 

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr sprach ich davon, dass die Remstalgartenschau ein „Wir-Gefühl“ hat entstehen lassen, aber auch davon, dass „… vieles ohne die gut gefüllten kommunalen Kassen nicht möglich gewesen wäre. Das könnte sich ändern …“. Seit Februar hat sich nun in unserem Land vieles verändert. Nun wird sich zeigen, ob das „Wir-Gefühl“ auch in schwierigen Zeiten Bestand hat. Die SPD-Fraktion hat sich entschieden, keine abändernden Anträge zum HH-Entwurf 2021 zu stellen bzw. Prüfaufträge zu erteilen. Wir wollen solidarisch mit der Verwaltung und den Kommunen versuchen, diesen Haushaltsentwurf gemeinsam zu gestalten und umzusetzen. Dabei sind uns fünf Themenfelder wichtig: 

  1. Kreisumlage

Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als die Kommunen ab 2004 aufgrund einer Verwaltungsreform damit begannen, ihre Sozialämter abzubauen und die Sozialleistungen auf die Bundesagentur, die Job-Center und den Kreis übergingen. Mittlerweile wird die Kreisumlage in 2021 allein schon zur Deckung der Nettosozialaufwendungen benötigt. 

In den Kommunen haben wir heute nur noch rudimentäre Sozialämter und kaum mehr qualifizierte Ansprechpartner. 

Der Landkreis ist letztlich umlagefinanziert und damit auf Bund, Land und Kommunen angewiesen. Wer also eine solidarische kommunale Familie haben möchte, kann nicht ständig an der Kreisumlage rütteln. Wir sind bereit, die 31,1 % mitzutragen und in gemeinsamer Verantwortung die Aufgaben anzugehen. Weniger Kreisumlage geht nur mit Verzicht auf Aufgabenerfüllung oder falls neue Zuwendungen fließen.

  1. Klimawandel und Verkehrswende

Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen uns wieder einmal glasklar auf, dass es möglich ist, international vereinbarte Klimaziele zu erreichen. Die Technologien, das Wissen und das Können sind vorhanden. Es braucht allein den politischen Gestaltungswillen und die gesellschaftliche Bereitschaft für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, um eine Energiewende verbunden mit einem Umstieg auf ein nachhaltiges Wirtschaften und eine Mobilitätswende zu gestalten. Es genügt dabei nicht von der Versöhnung von „Ökologie und Ökonomie“ zu reden, sondern es gilt innovative Ideen für eine nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln und zu realisieren.

Auf Kreisebene ist für uns eine Mobilitätswende nach wie vor ein wichtiger und auch leistbarer Beitrag für eine nachhaltige Klimawende. Deshalb treten wir weiter für einen kostengünstigeren Nahverkehr mit einem 365€-Ticket für die gesamte Region ein und fordern die Verwaltung auf, sich dafür in den zuständigen Gremien des VVS einzusetzen. Beim ÖPNV muss durchgängig eine Taktverdichtung, der Verkehr bis in den späten Abend hinein und funktionierende Anschlüsse von Bus und Bahn gelingen.

Der weitere Ausbau der Radwege bleibt auf der Agenda. 

Auch gehören Tempolimits auf unseren Bundesstraßen dazu. Für uns gilt weiterhin: Sicherheit vor Schnelligkeit und gleichzeitig weniger Lärm für die Anrainer.

  1. Gesundheitswesen

Es ist schon fast tragisch, dass erst durch eine Pandemie, die von uns längst festgestellten Defizite in der Pflege manchen Politikern deutlich wurden. Es mangelt nach wie vor an qualifiziertem und ausreichendem Pflegepersonal in unseren Kliniken und in der Altenpflege. 

Es fehlt noch immer an einer gerechten Bezahlung, an besseren Arbeitsbedingungen und an genügend Fachpersonal in unseren Gesundheitsämtern. 

Bei der Schaffung von besseren Rahmenbedingungen kommen wir mittlerweile im Landkreis voran. Mit dem Bau von über 100 attraktiven und bezahlbaren Wohnungen in Schorndorf und Winnenden für Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, mit einem schlüssigen Medizinkonzept und mit der Campusentwicklung sind wir auf einem guten Weg. 

Wir haben immer gesagt, dass uns eine gute klinische Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wichtig ist. Insgesamt stehen wir nach wie vor zu einem Defizitausgleich bis zu 10 Mill. Euro jährlich und zu unseren kommunalen Kliniken. 

Auch unsere Forderung vom letzten Jahr nach einem Kreispflegegipfel bleibt aktuell auf der Agenda. Gerade die Erfahrungen in der Pandemie machen die Dringlichkeit deutlich. 

  1. Kinderarmut im Kreis abbauen

Jedes achte Kind im Rems-Murr-Kreis lebt in Armut. Über 5000 Jugendliche unter 15 Jahren bekommen Hartz IV. Jede oder jeder Fünfte unter 18 Jahren ist armutsgefährdet. Schon allein diese wenigen Zahlen machen deutlich, dass wir im Rems-Murr-Kreis vor einer großen sozialen Aufgabe stehen. Wir müssen uns diesem Thema dringend stellen und gemeinsam nach Lösungen suchen. 

Im Jahr der Pandemie geht die Schere der ärmsten und reichsten Familien noch weiter auseinander. Weniger Bildungserfolge, höheres Krankheitsrisiko, Enttäuschungen, Resignation und das Gefühl ausgegrenzt und abgehängt zu werden, können die Folgen sein. 

Es kann und darf nicht sein, dass Kinder ein Armutsrisiko sind. Deshalb wird meine Fraktion im kommenden Jahr Vorschläge erarbeiten, wie wir gemeinsam und solidarisch diese soziale Schieflage der Schwächeren im Kreis angehen könnten. Wir denken dabei an ein kreisweites Präventionsnetzwerk wie es bereits in Schorndorf entwickelt wurde und wirkt. 

  1. Wohnungsbau und Immobilienkonzept

Nach wie vor hat der Bau von bezahlbarem Wohnraum oberste Priorität im Kreis. Leider fehlt es an einem gemeinsamen Konzept von Kreis und Kommunen den dafür notwendigen Grund und Boden bereitzustellen. Dies ist der Schlüssel, der uns die notwendigen Möglichkeiten verschafft. Deshalb gehören Grund und Boden für Wohnbebauung in erster Linie in die öffentliche Hand. Dann könnten wir gemeinsam ein schlagkräftiges Konzept für den Bau von bezahlbarem Wohnraum entwickeln. 

Wenn bei der Grunderwerbssteuer die Kassen klingeln, ist dies ein Zeichen für einen völlig überteuerten Boden- und Immobilienmarkt. Diesen Einnahmen steht ein Immobilienverkauf im Wert von sage und schreibe über 1,6 Mrd. Euro in einem Jahr allein im Rems-Murr-Kreis gegenüber. Da stellt sich doch die Frage, wer sich das noch leisten kann. Mit dem Verwaltungsbau in der Rötestraße haben wir unser Immobilienkonzept begonnen. Insgesamt sind wir in der Pflicht, absolut energieschonend zu bauen. Gleichzeitig muss das Konzept auch die Voraussetzungen für eine Mobilitätswende schaffen. Nicht mehr das Auto, sondern auch das Fahrrad und die Möglichkeiten des ÖPNV müssen in den Fokus gerückt werden. Es ist eben kein nachhaltiges Konzept, wenn man sein Auto kostengünstig einen ganzen Arbeitstag in einer TG abstellen kann, um es mal etwas zugespitzt zu formulieren.

Herr Dr. Sigel, gerne möchte ich zum Schluss noch einmal Ihren Appell aufgreifen. Sie sagten in Ihrer aktuellen HH-Rede: „Wir müssen als kommunale Familie zusammenstehen“. Sie knüpfen hier an Ihren Aufruf zum „Miteinander“ in Ihrer HH-Rede 2019 an. Ja es kann gelingen, wenn wir alle mitnehmen. Dabei denke ich vor allem an die jüngere Generation. Sie müssen wir für neue Wege in eine nachhaltige Zukunft begeistern.

Gerade in Zeiten der Pandemie habe ich gelernt, noch mehr auf die wissenschaftlich fundierte Faktenlage zu hören und sie zu achten. Aufbauend auf dieser Grundlage dann politischen Gestaltungswillen und gesellschaftliche Bereitschaft für den notwendigen positiven Wandel unserer Gesellschaft zu gestalten, sollte uns Richtschnur für unser Handeln sein. Nicht Verzicht darf dabei unsere Diskussionen bestimmen, sondern die Chance auf ein qualitatives Wachstum und einen nachhaltigen Lebensstandard. 

Ich freue mich auf interessante und auch kontroverse Diskussionen mit Ihnen allen im Jahr 2021. Bringen wir unseren Landkreis gemeinsam weiter in eine nachhaltige Zukunft.

Mein Dank und der Dank meiner Fraktion geht am Ende eines ganz besonders schwierigen Jahres an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, an das gesamte Pflegepersonal in der ambulanten und in der Heimversorgung unserer älteren Bevölkerung, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Rems-Murr-Kliniken und schließlich an alle Freiwilligen in den sozialen Bereichen im gesamten Rems-Murr-Kreis.

Winterbach, 16.11.2020

Klaus Riedel

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