Die war immer schon auch ein Zirkus

Veröffentlicht am 17.05.2013 in Presseecho

Bild: Michael Kurz

150-Jahr-Feier der Sozialdemokraten im Zirkuszelt in Korb

aus. Waiblinger Kreiszeitung v. 13.5.2013

Korb. Im ganzen Land feiert die älteste deutsche Partei momentan ihr 150-jähriges Bestehen. Auch der Kreisverband Rems-Murr beging dieses Jubiläum nun am Freitag, doch auf ganz eigene Art. Der „Cirkus Espede“ gastierte auf dem Festplatz und präsentierte sich mit allerhand Wort-, aber auch wirklicher Akrobatik.

Die Genossen können auf eine lange Tradition zurückblicken. Eine bewegende Geschichte des Verbots, der Verfolgung, des Wiederauferstehens, der vielen Erfolge, schmerzlichen Niederlagen und des tiefen Falls am Ende des letzten Jahrzehnts. Nur langsam kommt die alte Tante SPD dieser Tage wieder auf die Beine. Die elf Jahre an der Regierung liegen wie eine bleierne Last auf dem Rücken der einst so stolzen Sozialdemokraten. Ihre Mitgliedschaft hatte sich seither nahezu halbiert. Wie eine solch traditionsreiche Partei ihr 150. Jubiläum begeht, verrät daher so einiges über ihren Zustand. Dass die hiesigen Sozialdemokraten dafür ausgerechnet einen Zirkus wählten, spricht entweder dafür, dass sie sich selbst nicht mehr ernst nehmen – oder für ein gehöriges Maß an Selbstironie.

Der Circus Piccolo ist gut gefüllt, als der Kreisvorsitzende Jürgen Hestler im Dompteurshemd die Manege betritt. Eine Familienfeier wolle man abhalten. Ganz bewusst habe man daher diesen recht unpolitischen Rahmen für die Feier gewählt. Denn SPD, das war immer etwas mehr als nur eine Partei. Sie war stets auch eine Art Ersatzfamilie. Noch heute erkennbar etwa an der ungebrochenen Tradition des Duzens unter den Genossen. Die SPD, so Hestler, sei schon immer auch ein Zirkus gewesen. Da gebe es Akrobaten, die aus Worten Pyramiden bauen, Vorsitzende, die sich als Dompteure des Parteivolks versuchen – und auch einige Clowns. Ein Schelm, wer da an Steinbrück denkt.

Die SPD – ein geschundenes, aufmüpfiges Kind

Das Wesen der alten Tante SPD beschreibt er, der sich als einer ihrer Neffen bezeichnet, wie folgt: „Wenn sich Menschen mit unterschiedlichen Neigungen und Fähigkeiten zusammentun und ein Programm formulieren, in dem sich möglichst alle wiederfinden, dann ist das die SPD.“ Dabei sei seine Partei eigentlich selbst immer noch ein Kind. Aber eines, das systematisch fertiggemacht werde und dann ob all der Ungerechtigkeiten schließlich aufmüpfig wird. Da ist er plötzlich wieder, der alte, kämpferische Kern der Sozialdemokratie: gegen die Ungerechtigkeit der Welt aufstehen, „für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit“.

Hestler widmet sich nun den Logengästen. Er möchte wissen, in welchem Verhältnis sie zur alten Tante stehen. Der Bundestagsabgeordnete Christian Lange beschreibt dieses als „ganz ganz eng“. Für ihn sei der rote Faden, der ihn immer noch mit der Partei verbinde, „der Aufstieg durch Bildung. Das war schon bei meinem Vater so, meinem großen Vorbild. Ich stamme schließlich aus einfachen Verhältnissen.“

Alexander Bauer, der im September als Direktkandidat für den Wahlkreis Waiblingen kandidieren wird, möchte an diesem 10. Mai vor allem an die Bücherverbrennungen der Nazis erinnern, die vor 80 Jahren im ganzen Land stattfanden. Und schöpft aus der Leidenserfahrung vieler Sozialdemokraten, die damals aufgrund ihrer Ansichten hinter Gittern oder gar ins KZ wanderten. Die Konsequenz: „Wir müssen unbedingt alle an einem Strang ziehen, durch alle Schwierigkeiten hindurch.“

Altpeter empfiehlt ihrer Partei „aktivierende Pflege“

Katrin Altpeter, Sozialministerin im Land, sieht ihre Partei trotz der 150 Jahre auf dem Buckel noch weit von der Demenz entfernt. „Aber aktivierende Pflege würde sicher nicht schaden.“ Verdi-Landesvorsitzende Leni Breymaier ihrerseits verweist mit Stolz vor allem auf zwei Errungenschaften, welche die deutliche Handschrift der SPD trügen – Frauenwahlrecht und Grundgesetz – auf die man als Sozialdemokratin zu Recht stolz sein könne. Auch Reiner Brechtken, der von 1992 bis 1996 als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium tätig war, vermisst den einstigen Stolz: „Ich wünsche mir von der SPD etwas mehr Selbstbewusstsein, gerade vor der Bundestagswahl.“

Mit der Wortakrobatik hat es sich dann auch schon an diesem Abend. Schließlich ist eine Zirkusveranstaltung angekündigt. Also Manege frei für die kostenlose Sonderaufführung des Circus Piccolo. Und die beginnt für die Sozialdemokraten ganz nach ihrem Geschmack. Als Erstes vollführen die Akrobaten Übungen am Gaul. Einer der Zirkusleute schwingt sich mit beiden Beinen auf den Rücken des Gauls, der dies genügsam über sich ergehen lässt, reitet schließlich stehend und schwenkt eine große rote SPD-Fahne. Das Publikum applaudiert begeistert. Was folgt, ist solide Zirkuskunst: Ein Jongleur hantiert mit Bällen, Kegeln und Fackeln, gelenkige Frauen schwingen akrobatisch durch das Zirkuszelt oder große Gymnastikreifen um Hüfte, Arm und Kopf und auch auf Seilen wird getanzt.

aus: Waiblinger Kreiszeitung v. 13.5.2013

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